Ich habe fϋr das “Botschafter Bayerns” Stipendienprogramm einen
Erfahrungsbericht geschrieben und dadurch bin ich auf die Idee gekommen, auch
in Zukunft meine Erfahrungen etwas besser sortiert aufzuschreiben. Ich dachte
mir, dann kann ich sie auch online teilen, damit ich nicht allen meinen
Familienmitgliedern und Freunden alles einzeln mitteilen muss. Deswegen fange
ich jetzt – mitten im Austauschjahr – einen Blog an. Und der erste Eintrag ist
auch gleich der besagte Erfahrungsbericht, doch in Zukunft werde ich natϋrlich
auch eigene Sachen fϋr den Blog schreiben. Und jetzt folgt der Bericht:
Namaste!
Schon
als kleines Kind waren andere Kulturen und Religionen ein sehr interessantes
Thema fϋr mich. So habe ich es geliebt, Geschichten von meinen Eltern ϋber
divere Reisen in fremde Lӓnder und Kulturkreise zu hӧren. Doch von einem
Auslandsjahr habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts gewusst. Das ist jetzt
anders.
Ich
bin mittlerweile schon etwas ϋber drei Monate in dem wunderschӧnen Land Indien,
doch erst etwa eineinhalb Monate in meiner Gastfamilie. Ich musste in einer
neuen Familie untergebracht werden und ich kann nur sagen, dass ich es schade
finde, nicht von Anfang an hier gewesen zu sein. Aber auch in der alten
Gastfamilie habe ich viele Erfahrungen gesammelt. Aber ich bin froh, jetzt hier
zu sein und die Zeit mit meiner „Familie“ zu verbringen.
Nach dem ersten Monat ist schon so ein bisschen Alltag
eingekehrt. Einen groẞen Teil der Zeit verbringe ich in der Schule, wo ich
diverse Unterrichtsfӓcher habe. Das beginnt bei auch in Deutschland „normalen“ Fӓchern
wie Chemie oder Englisch und geht bis zu Karate, Tanz, wo ich zusammen mit
Mira, einer anderen deutschen Austauschschϋlerin, traditionelle indische
Choreografien lerne. Auẞerdem habe ich noch Kunst, wo ich schon Rangoli, das
ist ein groẞes Gemӓlde aus farbigem Sand auf dem Boden, gelernt habe, Musik und
noch ein paar mehr. Die Schule versucht, meinen Aufenthalt so lehrreich aber
gleichzeitig auch so angenehm wie mӧglich zu gestalten. So bin ich zum Beispiel
in Mathe nicht in der elften, sondern in
der zehnten Klasse, weil das Niveau in Indien so hoch ist.In der Schule gefӓllt
mir ziemlich gut, ich habe mich dort im Groẞen und Ganzen meiner Meinung nach
schon eingelebt und genieẞe, wie in Deutschland auch, hauptsӓchlich die
Zwischenstunden und Pausen, in denen es meistens eher chaotisch zugeht.
Nachdem die eigentliche Schule vorbei ist, bleibe ich
immer noch lӓnger mit meiner Gastmama dort, weil sie die Schulleiterin ist. Ich
finde das sogar ziemlich gut, wel ich die Zeit effektiv nutzen kann und zum
Beispiel Briefe fϋr meine Familie schreibe oder lerne. Wenn wir dann nach einer
einstϋndigen Fahrt daheim ankommen, sind wir beide eigentlich immer ziemlich
mϋde. Deshalb wird den restlichen Tag auch nicht mehr viel Anstrengendes
gemacht. Wir liegen eigentlich die ganze Zeit im Bett, in Indien ist das nicht
nur zum Schlafen, sondern auch ein ganz normaler Aufenthaltsort. Meine
Gastschwester lernt nur im Bett und auch zum Fernsehschauen oder lesen ist man
fast immer im Bett. Jedenfalls, dort reden wir dann, telefonieren mit meinem
Gastpapa, der aus beruflichen Grϋnden leider nicht durchgegehend bei uns wohnt,
ich lese oder wenn meine Gastmama mal nicht da ist, schauen wir fast immer
Filme. Ansonsten sind wir natϋrlich nicht nur daheim, sondern wir gehen unter
anderem zusammen Einkaufen und genieẞen dann meistens auch noch streetfood. Das,
sowie das ganze andere Essen, ist richtig gut und es gibt nichts, was mir gar
nicht schmeckt. Zudem essen hier viele Menschen vegetarisch, was im Normalfall
sogar ohne Ei bedeutet, was fϋr mich als ϋberzeugte Vegetarierin ein Segen ist,
weil die ganze Lebensmittelindustrie darauf angepasst ist.
Das ist so ungefӓhr das, was fast jeden Tag ӓhnlich ist.
Trotzdem gleicht natϋrlich kein Tag dem anderen und so ist immer noch jeder
neue Tag aufregend.
Ich hoffe ich konnte einen ungefӓhren Einblick in
meinen Alltag geben, natϋrlich ist er aber eigentlich viel zu komplex, um ihn
hier oder auch anderswo so zu beschreiben, dass er dem wirklich gerecht wird,
was ich sogar an „normalen“ Tagen erlebe.
In Indien gibt es dann natϋrlich noch den religiӧsen
Aspekt. Meine Familie ist hinduistisch und hat auch daheim einen kleinen
Tempel. Meine Gastmutter betet dort jeden morgen und zϋndet eine Kerze an. Ich
bin evangelisch, aber ich liebe es, die Geschichten ϋber die Gӧtter aus dieser
doch so anderen Religion zu hӧren. Ich war auch mehrmals im Tempel und ich muss
zugeben, dass es mir sogar mehr Spaẞ macht, als in die Kirche zu gehen. In der
Kirche sitz man oft lange und hӧrt sich eine Predigt an, die sich auch mal in
die Lӓnge ziehen kann. Bei einem Tempelbesuch kommt man, wann man will und
betet dann selbststӓndig, zϋndet eine Kerze an und bekommt ein Prasad. Das besteht
aus heiligem Wasser und Zucker. Fϋr mich hat es eine ӓhnliche Bedeutung wie das
Abendmahl, nur dass man es nicht nur wӓhrend dem Gottesdienst bekommt. Zudem
gibt es noch viele religiӧse Festivals. Ich habe auch schon einige erlebt, zum
Beispiel Dusshera (der Sieg des Guten ϋber das Bӧse) oder Karva Chaut (das
Festival der Ehe, die Frauen fasten fϋr das lange Leben ihrer Ehemӓnner). Die
Festivals sind fϋr mich immer sehr interessant, jedes hat seine eigene
Geschichte und die Zeremonien und das Beten sind ein bisschen oder auch sehr
anders. Aber ein paar Sachen sind fast immer gleich: es wird ein Gebet gesungen,
eine Kerze aus Ghee (Butterschmalz) wird angezϋndet und die Gottesstatuen und
die Menschen bekommen einTikka (ein meistens roter Punkt auf der Stirn, der
einen segnet). Indiens wichtigstes Festival, Diwali, das Fest der Lichter,
kommt jetzt in wenigen Tagen. Ich freue mich schon lange darauf und es ist
etwas ganz besonderes fϋr mich, das hier miterleben zu dϋrfen. Ich habe dafϋr
schon extra Rangoli gelernt. Das ist ein groẞes Gemӓlde auf dem Boden, das aus
feinem, strahlend eingefӓrbtem Sand gemacht wird. Mehr will ich zu Diwali aber
auch nicht sagen, weil ich es noch nicht erlebt habe und nichts falsch
weitergeben will.
Es gibt einen Ausflug, ϋber den ich unbedingt erzӓhlen
mӧchte. Er ging nach Chokhidhani, einem Ort, wo man viel ϋber die Kultur
Rajasthans, einem der vielen Staaten in Indien, lernt. Wir haben Akrobaten und
Tӓnzer gesehen und zugeschaut, wie die Diyas, das sind Tonbehӓlter, in denen man
Kerzen anzϋndet, in Handarbeit gemacht werden. Wir drei Kinder (ich habe zwei
ӓltere Gastgeschwister, eine Schwester und einen Bruder) sind Kamel geritten
und wir haben uns von einem Astrologen die Zukunft voraussagen lassen. Aus
meiner Hand konnte er unter anderem lesen, dass ich einmal reich werde und gemeinnϋtzige
Arbeit mache. Auch wenn ich eigentlich nicht daran glaube, hӧrt es sich fϋr
mich erstmal gar nicht so schlecht an. Ich hatte einen Turban auf, wӓhrend wir das
traditionelle Essen genossen haben. Auf dem Boden sitzend wurden uns viele
verschiedene Gerichte in kleinen Portionen serviert. Obwohl es sehr gut war,
konnte keiner es ganz aufessen. Das ist bis jetzt der Ausflug, der mir am
meisten im Kopf geblieben ist, weil es ein wunderschӧner Tag mit meiner Familie
war und ich zusӓtzlich noch, ohne jegliche Anstrengung, viel ϋber die
rajastanische Kultur gelernt habe. Natϋrlich gab es auch noch viele andere
Ausflϋge, aber ϋber diese hier zu erzӓhlen wϋrde den Rahmen sprengen.
Zum Schluss mӧchte ich noch sagen, dass mir klar
geworden ist, dass viele verschiedene Faktoren wichtig sind, um ein gutes
Austauschjahr erleben zu kӧnnen. Ein Punkt ist natϋrlich die eigene Einstellung
und das eigene Verhalten, aber das ist nur der Anfang. Ich glaube nicht, dass
ich meine Zeit hier so gu nutzen kӧnnte, wenn meine Familie in Deutschland sich
anders verhalten wϋrde. Ich bin dankbar, dass sie mich auch ϋber die Entfernung
so gut wie mӧglich unterstϋtzen und es auch verstehen, wenn ich mich mal nicht
bei ihnen melde, weil hier einfach zu viel los ist. Sogar wichtiger, zumindest
fϋr dieses Jahr, ist meine Gastfamilie. Sie sind unglaublich herzlich und
wollen mir mӧglichst viel zeigen und beibringen. Ich bin so froh, bei ihnen zu
sein und dass sie so sind, wie sie nunmal sind. Zudem mӧchte ich YFU und dem Stipendienprogramm Botschafter
Bayerns „Danke“ sagen. Ohne euch wӓre
dieses jetzt schon so unvergessliche Jahr zwar mӧglich, aber lange nicht so
einfach und sorgenfrei. Zudem ist es natϋrlich eine groẞe Ehre, Bayern auch
offiziell zu reprӓsentieren. Danke.